ADR - Alternative Dispute Resolution

ADR kommt aus den USA. Es geht um Methoden der alternativen Streitbeilegung, die dort von besonderem Interesse sind: Die Kosten des Prozessierens sind in den USA exorbitant und können erst noch nicht immer auf den Verlierer überwälzt werden. Viel effizienter, nämlich schneller und kostengünstiger ist es daher, Rechtsstreitigkeiten ausserhalb der staatlichen Gerichte beizulegen. Die Wissenschaft geht davon aus, dass dies in den USA in über 98% der Fälle gelingt. Nur die wenigsten Konflikte führen somit zu einem Urteil.

Vorausgeschickt sei aber, dass es am besten ist, Konflikte überhaupt zu vermeiden. Dies ist oft u.a. dadurch möglich, dass man gute Verträge abschliesst und sich zu diesem Zweck, wenn notwendig, rechtzeitig und gut beraten lässt. Eine Binsenwahrheit, die leider oft missachtet wird.

Es stehen die folgenden Instrumente der alternativen Streitbeilegung im Vordergrund:

1. Verhandlungen
Dass man die entstandenen Probleme einvernehmlich auf dem Verhandlungsweg zu lösen versucht, sollte immer Priorität haben. Je nach Konstellation geht es darum,

  • seine Position möglichst maximal durchzusetzen ("distributive negotiation" oder "négociation sur position"), ohne Rücksicht auf Verluste der Gegenseite, oder darum,
  • ein Win-Win zu erzielen ("integrative negotiations" oder "négociation raisonnée"). Letztes steht insbesondere dann im Vordergrund, wenn bspw. eine vertragliche Dauerbeziehung (Arbeitsvertrag, Vertriebsvertrag, Joint Venture etc.) gerettet werden soll.

2. Collaborative Law
Hievon spricht man, wenn sich Anwälte und Parteien dazu verpflichten, offen und "in good faith" miteinander zu verhandeln, bis das Problem gelöst ist. Sie verzichten vertraglich auf die Anrufung der Gerichte, wobei dieser Verzicht letztlich aber nur für die Anwälte bindend ist. Die Parteien tauschen alle Informationen aus, die für das Finden der Lösung notwendig sind. Sie taktieren nicht mit Blick auf einen späteren Prozess. Nichts ist unpräjudiziell.

3. Mediation
Die Parteien ziehen einen Dritten bei, den Mediator, der ihnen hilft, selbst eine Lösung zu finden. Der Mediator ist im Rahmen des Möglichen unparteiisch, neutral und unabhängig. Anders als der Schlichter unterbreitet er den Parteien keine Lösungsvorschläge. Er versucht nicht, sie zu einem bestimmten Kompromiss, den er für ausgewogen hält, zu bewegen. Er ermöglicht "nur" den Dialog. Er äussert sich auch nicht zur Sache, sondern überlässt das den Parteien. Diese suchen nach einer Lösung, der Mediator unterstützt sie dabei, indem er u.a. durch geschicktes Fragen sicherstellt, dass beide Parteien wissen, was sie und die Gegenseite wollen. Zudem geht es nicht nur um den Konflikt allein, um die Spitze des Eisbergs, sondern speziell auch um das, was ihm zu Grunde liegt, also um den ganzen Eisberg.

4. Schlichtung
Im Gegensatz zum Mediator äussert sich der Schlichter zur Sache. Wenn nötig erläutert er den Parteien die Rechtslage, erklärt, wie er den Sachverhalt sieht, und macht Lösungsvorschläge. Es gibt insbesondere staatliche Schlichtungsstellen, die bei Bedarf durchaus einen gewissen Druck ausüben, um die Parteien zu ihrem Glück zu "zwingen".

5. Schiedsgericht
Die Parteien bestimmen einen oder mehrere Richter, die abschliessend über die Streitsache urteilen. Solche Verfahren können recht kostspielig sein und die Urteile sind je nach Verfahrensordnung nicht oder nur beschränkt anfechtbar. Die Vorteile eines Schiedsverfahrens liegen in der Schnelligkeit und - wenn dem bei der Besetzung des Schiedsgerichts gebührend Aufmerksamkeit geschenkt wird - in der Sachkunde des Richtergremiums. Zudem können die Parteien in gewissen Grenzen selbst bestimmen, wie das Schiedsgericht vorgehen soll.

Es lohnt sich, jedenfalls für die Parteien, nicht gleich zur Keule, zum Prozess, zu greifen. Alternativen sind immer zu prüfen, denn Prozesse können kontraproduktiv und ruinös sein.

Dr. Raoul Stampfli
Fachanwalt SAV Erbrecht